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Offener Brief: Rückschrittige Energieversorgung der neuen Nordmensa

Liebe Studierendenschaft, Sehr geehrtes Studierendenwerk, Sehr geehrter Herr Magull,

die Mittagszeit in einer Mensa ist ein wichtiger Bestandteil unseres Studienalltags. Sie
dient nicht nur der Ernährung, sondern bietet auch Raum für ein Beisammensein und
Gespräche mit Kommiliton*innen. Nach rund 3 Jahren mit den langen Warteschlangen,
der hektischen Atmosphäre in allen Mensen und dem dürftigen Angebot der Lunchbox
freuen wir uns am Nordcampus darauf, bald in einer modernen Nordmensa essen zu
können.

Umso mehr verging uns der Appetit, als wir nach mehrmaligem Anfragen erfahren
mussten, dass das Studierendenwerk den Bau eines Gaskraftwerks auf dem Dach der
neuen Nordmensa plant. Das können wir nicht zulassen und wenden uns deshalb mit
diesem offenen Brief an Studierendenschaft, Studierendenwerk und dessen Leiter Jörg
Magull.

Wir befinden uns im Jahr 2024, 8 Jahre nach Verabschiedung des Pariser
Klimaabkommens. Uns allen ist klar, dass die Klimakrise das Leben insbesondere von uns
jungen Menschen bestimmen wird. Fossile Energieträger müssen in allen Bereichen so
schnell wie möglich zurückgedrängt und von erneuerbaren Energien abgelöst werden.
Auf dem Weg dorthin ist fossiles Gas eben keine „Brückentechnologie“, sondern nur eine
Wiederholung von schon gemachten Fehlern. Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg
auf die Ukraine wissen wir, dass eine Abhängigkeit der Energieversorgung von
despotischen Regimen zu drastischen Steigerungen der Lebenskosten und damit zu teils
existenziellen Belastungen nicht nur von Studierenden führen kann. Wenn sich das
Studierendenwerk weiter von fossilem Gas abhängig macht, führen die unvermeidlich
steigenden Gaspreise letztendlich zu höheren Preisen für Studierende an der Mensakasse.

Der naturwissenschaftliche Campus der „Stadt, die Wissen schafft“ sollte eine
Vorbildrolle in Sachen Nachhaltigkeit und technologischem Fortschritt einnehmen. Auf
Seiten des Studierendenwerks unter Leitung von Jörg Magull beobachten wir jedoch
Intransparenz statt Problembewusstsein oder Bereitschaft Verantwortung zu
übernehmen. Gleichzeitig sonnen sich die Göttinger Mensen in ihrem deutschlandweit
guten Ruf, welcher nicht zuletzt auf angeblicher Nachhaltigkeit fußt. Dieser grüne
Anstrich ist anscheinend nur eine Fassade vor kurzsichtiger Energieplanung.

Der Zweck des Studierendenwerkes ist es unter anderem für die Gesundheit der
Studierenden zu sorgen. Ein Gaskraftwerk, das unsere Lebensgrundlagen zerstört, bewirkt
das Gegenteil. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass das Studierendenwerk in
unserem Interesse handelt und unzeitgemäße Baupläne und Informationen nicht unter
Verschluss hält. Wir als Studierendenschaft erwarten, dass unsere Interessen durch das
Studierendenwerk mit Weitsicht vertreten werden. Schließlich wird es von uns allen
mitfinanziert.

Es ist unvorstellbar in der heutigen Zeit noch neue fossile Infrastruktur zu bauen, zumal
die Klimakrise auch bei Planung des Projekts schon lange bekannt war und
berücksichtigt hätte werden müssen. Die Dringlichkeit der Lage erfordert eine Änderung
der Baupläne, die ein alternatives und wirklich nachhaltiges Wärmekonzept enthalten.
Dafür könnten beispielsweise moderne Hochtemperaturwärmepumpen, die 90 bis 130°C
erreichen können, mit effizienter Abwärmerückgewinnung kombiniert werden. Sie als
Entscheidungsträger*innen des Studierendenwerks und der Universität dürfen sich nicht
mehr hinter schon gefassten Finanzplänen verstecken oder sich die Verantwortung
gegenseitig in die Schuhe schieben. Öffentliche Institutionen haben eine Funktion als
Vorbilder, besonders, wenn sie sich der Wissenschaft, der Lehre und dem Gemeinwohl
verschrieben haben.

Wenn wir in der Vorlesung über die Klimakrise, ihre geophysikalischen Mechanismen
und ihre Auswirkungen auf Ökosysteme, Landwirtschaft und Wälder lernen, können wir
nicht danach in einer Mensa essen, deren Betrieb gerade diese Krise verstärkt. Wir
fordern von Ihnen als Studierendenwerk Ihrer Verantwortung durch eine 100%
erneuerbare Energieversorgung der neuen Nordmensa gerecht zu werden. Wir erwarten
in Zukunft vollständige Transparenz und fordern deshalb die Veröffentlichung der
Baupläne.

Die Nordmensa hat die Chance das zu werden, was eine moderne Mensa sein sollte:
Ein Ort, an dem wir uns treffen und gemeinsam ein leckeres Essen einnehmen können. Ein
Ort, der uns ermöglicht einen Lebensstil zu führen, der unsere Existenz nicht gefährdet. Ein
Ort, der das Wissen über die Klimakrise ins Handeln für eine klimagerechte Welt umsetzt.
Das ist die Mensa, die wir brauchen und einfordern!

„Investitionen in fossile Technologien sind im Angesicht der Klimakrise und der angestrebten Treibhausneutralität Deutschlands nicht sinnvoll. Die Forderungen der StudentInnen und Klimaaktivisten nach alternativen, CO2-armen Technologien zur Energieversorgung ihrer Mensa sind also wohlbegründet. Ihre Argumentation ist fachlich korrekt.“

Mitgezeichnet von Scientists For Future Göttingen

Unterzeichnet von:

  • Fachgruppe Informatik
  • Grün und Technik
  • FSR Mathematik, Informatik, Data Science
  • FSR Physik
  • Fachschaft Chemie
  • Fachgruppe Geographie
  • Fachgruppe Data Science
  • Fachgruppe Biochemie
  • Fachgruppe Biologie und Biodiversität
  • Fachgruppe Ökosystemmanagement
  • Fachgruppe Politikwissenschaften
  • Fachgruppe Geschlechterforschung
  • FSR Ressourcenmanagement
  • AStA Göttingen
  • Grüne Hochschulgruppe
  • End Fossil: Occupy! Göttingen
  • Students for Future Göttingen
  • Jusos Göttingen
  • Greenpeace Göttingen